Gespräch mit Ornithologin Mag. Christine Medicus zur Situation der Raben- und Wasservögel im Land Salzburg
Die Salzburger Vogelabschussplan-Verordnung 2024/25, mit jährlichen Höchstabschusszahlen von 5581 Vögeln, trat im März 2024 in Kraft. Mit der Ornithologin Mag. Christine Medicus, die sich seit fast 50 Jahren mit Graureihern im Land Salzburg beschäftigt, haben wir über ihre Liebe zu Vögeln, Hintergründe und Rechtsstaatlichkeit der Verordnung inklusive Alternativen zum Abschuss gesprochen.
Wie haben Sie Ihre Liebe zu Vögeln entdeckt? Gibt es eine Art, die Sie besonders begeistert?
Meine Liebe zur Vogelwelt geht schon auf meine Kindheit in den 1960er Jahren zurück. Intensiv habe ich mich dann seit dem Biologiestudium mit Ornithologie beschäftigt, ich wurde Mitarbeiterin der ornithologischen Arbeitsgemeinschaft am Haus der Natur und Mitglied von BirdLife Österreich. In meiner Hausarbeit und im Rahmen des Vorlandseenprojektes beschäftigte ich mich mit der Vogelwelt der Flachgauer Seenwelt und ihrem Wandel in einer sich verändernden Umwelt. Damals kam es erstmals zu einer Wiederansiedelung von Graureihern im Land Salzburg. Diese Art begleitet mich also schon seit fast 50 Jahren. Auch Rabenvögel sind wegen ihrer hohen Intelligenz besonders spannend. Besonders liegen mir die Wiesenbrüter wie Braunkehlchen und Feldlerche am Herzen, deren Verschwinden ich leider miterleben muss. Derzeit setze ich mich besonders für den faszinierenden Mauersegler und andere Gebäudebrüter ein, die durch moderne Bauweisen und Sanierungen zunehmend bedroht werden.
Welchen Aufgabenbereichen widmet sich die Ornithologische Arbeitsgemeinschaft am Haus der Natur in Salzburg?
Die Ornithologische Arbeitsgemeinschaft am Haus der Natur setzt sich vor allem das Ziel, die Avifauna des Landes Salzburg zu erforschen und zu dokumentieren, aber auch in Vorträgen und Exkursionen Wissen zu vermitteln und Schutzprojekte anzustoßen. Beobachtungsdaten aus dem ganzen Land wurden in der Ornithologischen Landeskartei jahrzehntelang systematisch gesammelt. Seit 2000 ermöglicht die Biodiversitätsdatenbank am Haus der Natur den raschen Zugriff auf die nun digital erfassten Daten für Wissenschaft und Naturschutz. Die Ornithologische Arbeitsgemeinschaft arbeitet eng mit BirdLife Österreich zusammen, etwa bei laufenden Monitoringprogrammen (Wasservogelzählung, Brutvogelmonitoring) oder bei Kartierungen (etwa für den jüngst erschienenen Brutvogelatlas). Die Vögel sind eine der am besten erfassten Tiergruppen, was ohne das Engagement ehrenamtlicher Beobachter:innen nicht möglich wäre.
Seit März 2024 ist die Vogelabschussplanverordnung mit jährlichen Höchstabschusszahlen von 5581 Vögeln in Salzburg in Kraft. Weshalb werden solche Verordnungen erlassen?
Abschüsse wurden bis 2004 in Salzburg als Verordnung bewilligt. Nachdem die EU-Kommission nach einer Beschwerde der Umweltanwaltschaft (LUA) ein Vertragsverletzungsverfahren wegen unkorrekter Umsetzung der Vogelschutz-Richtlinie in Salzburg eingeleitet hatte, musste die seit 1998 übliche Praxis eingestellt werden. Seit 2006 wurden die Abschüsse in Form von Bescheiden der Bezirksbehörden bewilligt, um eine Parteistellung der LUA zu verhindern. Zuletzt wurden auf Grund von Abschussbescheiden allein im Jahr 2020 im Land Salzburg fast 4000 Rabenkrähen, 1000 Eichelhäher und fast 500 Elstern getötet, die bewilligten Höchstabschüsse lagen noch höher. Außerdem wurden 2020 98 Kormorane geschossen (freigegeben 197!) und 102 Graureiher getötet (190 freigegeben!) Diese Bescheide konnten – auf Grund des Jagdgesetzes – von Umweltorganisationen nicht eingesehen und damit auch nicht beeinsprucht werden. Nach einer außerordentlichen Revision des Naturschutzbundes beim VwGH mussten das Jagdgesetz geändert und die Bescheide auf die Aarhus-Plattform
gestellt werden. Nun konnten erstmals Einsprüche gegen die grob mangelhaften Bescheide erfolgen, die auch erfolgreich waren. Das Jahr 2023 brachte dadurch eine kurze Verschnaufpause in der Verfolgung von Graureiher, Kormoran, Elster und Eichelhäher, auch die bescheidmäßigen Abschussbewilligungen von Rabenkrähen gingen in diesem Jahr um mehr als 80% zurück. Die Vogelabschussplan-Verordnung für die Jahre 2024/25 wurde mit dem Ziel erlassen, Beschwerden von Umweltorganisationen extrem zu erschweren.
Welche Arten und wie viele Individuen sind von der Verordnung betroffen?
Die Verordnung umfasst einerseits die fischfressenden Wasservögel Graureiher und Kormoran, andererseits die Rabenvögel Rabenkrähe, Elster und Eichelhäher. Damit werden Höchstabschüsse von 3.625 Rabenkrähen (davon 10% in der Brutzeit), 1.185 Eichelhähern, 560 Elstern, 99 Graureihern und 115 Kormoranen möglich. Diese Zahlen entsprechen etwa den Abschüssen um 2020. Die Höchstabschüsse dieser Vögel wurden in insgesamt 376 (!) Bescheiden auf die einzelnen Jagdgebiete aufgeteilt, die nicht die Bezirksbehörden, sondern die jeweiligen Bezirksjägermeister erlassen. Diesen Fließband-Bescheiden fehlen die für Bescheide erforderlichen Ermittlungsschritte, jegliche Beweiswürdigung und jegliche Begründung für die Ausnahme von der Vogelschutz-Richtlinie. Beschwerden gegen diese Fließband-Bescheide durch anerkannte Umweltorganisationen beim Landesverwaltungsgericht würden Gebühren von mehr als 11.000 € verursachen. Die Verlagerung der Bescheiderstellung zur Jägerschaft dient laut den Erläuterungen zum Verordnungsentwurf angeblich der Vermeidung langwieriger, kostenintensiver Behördenverfahren, in Wirklichkeit aber zur Behinderung von Einsprüchen gegen die rechtswidrige Vorgangsweise.
Wie stellt sich die Missachtung des Rechtsstaates anhand dieser Verordnung dar?
Die Verordnung missachtet rechtsstaatliche Bestimmungen, weil sie die EU-Vogelschutz-Richtlinie und die Aarhus-Konvention nicht ausreichend beachtet. Einer Diskussion mit Fachkräften der Vogelkunde haben sich Politik und Behörde stets verwehrt, noch viel weniger wurde anerkannten Umweltorganisationen das Recht auf Einbeziehung und Mitsprache bei der Erstellung der Verordnung zuerkannt. Die Erhebung der Bestandszahlen der geschützten Vogelarten als fachliche Basis für Eingriffe ist grob mangelhaft oder fehlt vollständig, die angeblichen Schäden sind in der angegebenen Höhe in keiner Weise nachvollziehbar. Eine ernsthafte Alternativen-Prüfung fehlt. Das in der Verordnung vorgesehene Monitoring zur Klärung der Auswirkungen der Abschüsse auf den Erhaltungszustand der Arten soll durch die Jägerschaft und den Landesfischereiverband durchgeführt werden. Beide Institutionen sind für das Monitoring fachlich nicht geeignet und außerdem wegen ihrer wirtschaftlichen Interessen nicht unabhängig.
Wie entwickeln sich die Bestände des Graureihers in Salzburg? Gibt es ein systematisches, regelmäßiges Monitoring?
BirdLife Österreich zählt die Wasservögel an allen größeren Gewässern Salzburgs in jedem Winter standardisiert dreimal. Die internationale Mittwinterzählung ist das älteste Vogelmonitoring und wird seit 1970 österreichweit durchgeführt. Damals gefährdete die ungezügelte Jagd auf Wasservögel in ihren Überwinterungsgebieten viele Arten. Die Wasservogelzählungen im Bundesland Salzburg an den bedeutenden Gewässern des Bundeslandes zeigt für den Zeitraum 2007 bis 2023 einen insgesamt stabilen Bestand für Graureiher. Im genannten Zeitraum wurden im November maximal 41 Graureiher, im Jänner maximal 31 und im März maximal 50 Individuen gezählt. In den zunehmend milderen Wintern halten sich Graureiher zunehmend auf Feldern und Wiesen auf der Jagd nach Mäusen auf. Während der Sommermonate setzt sich der Graureiherbestand aus Brutvögeln, ihrem Nachwuchs sowie Nichtbrütern zusammen. Bei einem Brutbestand von etwa 50 Paaren ergibt sich eine nachbrutzeitliche Anzahl zusammen mit Nichtbrütern von maximal 300 Individuen. Die Dichte im Land Salzburg ist mit weniger als einem Brutpaar je 100 km² extrem gering. Die aktuelle Anzahl an Brutpaaren hat in Salzburg gegenüber 2005 (letzte vom Land beauftragte Erhebung) um fast 40 % abgenommen, etliche Kolonien sind ganz verschwunden. Das Brutvogel-Monitoring von BirdLife Österreich zeigt im Zeitraum 1998 bis 2016 österreichweit eine Abnahme des Graureihers um ebenfalls fast 40 %. Für Graureiher ist ein regelmäßiges Monitoring der Brutkolonien (Anzahl der Horste, Bruterfolg) notwendig, um den Brutbestand und die Kolonien zu sichern. Seitens des Landes Salzburg wurde 2005 letztmalig eine ornithologische Bestandserhebung des Graureihers in Auftrag gegeben (Lindner 2006). Diese Daten sind heute fast 20 Jahre alt und nicht mehr aktuell. Das in dieser Studie geforderte regelmäßige Monitoring wurde nie in Auftrag gegeben. Die Ornithologische Arbeitsgemeinschaft führt in den letzten Jahren wieder ehrenamtlich Horst-Zählungen durch, um die Gefährdung zu dokumentieren.
Wie entwickeln sich die Bestände des Kormorans und der Rabenkrähen in Salzburg?
Wie beim Graureiher ergeben sich auch beim Kormoran schwerwiegende Unstimmigkeiten zwischen den Zählergebnissen der Internationalen Wasservogelzählung und den Berechnungen in den Erläuterungen zum Verordnungsentwurf. Um den Kormoran-Bestand genau zu erfassen, wären abendliche Schlafplatzzählungen im Winterhalbjahr wichtig, die es bisher in Salzburg nicht gibt.
Bei Rabenvögeln gibt es in Salzburg kein regelmäßiges Monitoring. Seitens der Jägerschaft werden einmal im Jahr im Frühjahr Zählungen von Rabenkrähen in den jeweiligen Jagdgebieten durchgeführt, die Systematik dieser Zählungen bleibt unklar. Für Eichelhäher und Elster liegen keine Zähldaten vor.
Im Zuge des Österreichischen Brutvogelmonitorings von BirdLife Österreich zeigen sich im Langzeittrend (1998 bis 2023) deutliche Abnahmen von Graureiher, Eichelhäher und Elster.
Weshalb klaffen die Zahlen, die durch Ornitholog:innen erhoben werden, von jenen der Fischer derart auseinander?
Der für Graureiher in den Erläuterungen zum Verordnungsentwurf angegebene hochgerechnete Bestand von 770 Graureihern weicht von den Zahlen der Ornitholog:innen gravierend ab, es gibt durch die Zählungen keine Hinweise darauf, dass eine derart hohe Anzahl an Zuwanderern Salzburg aufsucht. Die Bestandsschätzung der Fischerei von 770 Graureihern ergibt sich aus Zählungen von Bewirtschaftern, von denen rund ein Viertel an den Zählungen teilnimmt (von diesen geben 13 % eine Vogelsichtung bekannt, gesamt ca. 316 Graureiher), der Gesamtbestand wird aber um weitere angenommene
Graureiher der Nichtmelder erhöht. Die Zählungen bzw. die Hochrechnungen durch die Fischerei sind wissenschaftlich nicht haltbar und unzulässig. Wer nichts meldet, hat wohl kein Problem! Auch für den Kormoran klaffen die Werte ähnlich auseinander: Der in den letzten 16 Jahren von den Ornitholog:innen gezählte absolute Höchstwert liegt bei 219 Individuen, die Verordnung geht von einem hochgerechneten Bestand von 527 Individuen aus. Der bewilligte Abschuss von 99 Graureihern liegt nach Bestandsermittlungen der Ornitholog:innen bei einem Drittel des maximal anzunehmenden Bestandes, bei den Kormoranen sogar bei mehr als 50 %. Damit ist von einer Gefährdung des regionalen Brutbestandes auszugehen, zumal die Schusszeit beim Graureiher im Jänner bereits in die Brutzeit fällt, die Vögel also bereits ihre Horste aufsuchen.
Wie stellen sich die Schäden durch Wasser- und Rabenvögel dar?
Hohe und wachsende Schäden werden wohl deshalb unterstellt, um die Ausnahmetatbestände der EU-Vogelschutz-Richtlinie zu erfüllen, aber echte über sehr allgemeine Anschuldigungen hinausgehende Schadensnachweise werden nicht vorgelegt. Bei den Fischfressern wird der Schaden abenteuerlich auf Basis von sog. Kormoran- und Graureihertagen
(von überhöhten Bestandszahlen ausgehend) errechnet. Jeder gefressene Fisch wird dabei als Schaden mit einem Verkaufspreis berechnet, ohne jede Unterscheidung der jeweiligen Fischart bzw. der jeweiligen Herkunft der Tiere. Alle Fische – auch solche in Seen und Flüssen aus natürlicher Reproduktion und fischereiwirtschaftlich unbedeutende Arten – werden de facto als Eigentum der Fischereiwirtschaft angesehen, obwohl sie einfach ein Teil der Natur sind.
Für Elstern und Eichelhäher liegen überhaupt keine Schadensnachweise vor. Dass sie gelegentlich Obst in Hausgärten verspeisen, kann man auch Grasmücken, Staren und Amseln vorwerfen. Ein ernster allgemeinwirtschaftlicher Schaden entsteht dadurch nicht. Der Abschuss von Eichelhähern schädigt dagegen eindeutig die Waldbesitzer, weil der Eichelhäher durch die Saat junger Eichen einen wichtigen Beitrag zum Umbau in klimaresistente Mischwälder leistet. Diese waldbauliche Bedeutung ist durch viele Untersuchungen bewiesen. Es sind keine heimischen Tiere bekannt, die vor Elster oder Eichelhäher geschützt werden müssten. Sie stellen keine Gefahr für die Bestände heimischer Singvögel dar.
Wie regulieren sich Rabenkrähen und weshalb sind sogenannte Revierkrähen so wichtig?
Erwachsene Rabenkrähen werden etwa von Uhu und Habicht erbeutet, Jungvögel in den Horsten auch von Mäusebussarden u.a. Bei Rabenkrähen ist auch innerartliche Prädation verbreitet, Artgenossen erbeuten also auch Gelege oder kleine Junge ihrer Art. Diese innerartliche Prädation führt zusammen mit dem Territorialverhalten zu einer effizienten Bestandsregulierung. Innerhalb der Rabenkrähenpopulation ist zwischen Reviere besetzenden Brutvögeln und revierlosen Nichtbrütern zu unterscheiden. Bei Letzteren handelt es sich meist um ein- bis dreijährige Vögel, die sich zu mobilen Nichtbrütertrupps zusammenschließen. Ein Revier besetzendes Rabenkrähenpaar verteidigt sein Brutgebiet (also die Horst-Umgebung und nahegelegene Nahrungsgebiete) und vertreibt Nichtbrüter. So tragen Revierkrähen dazu bei, Schäden durch mobile Nichtbrütertrupps an Saatgut und Keimlingen zu verhindern. Ihren Jungen füttern sie vor allem Insektenlarven (z.B. Drahtwürmer), die in Äckern Schäden verursachen können.
Können Jäger:innen zwischen Revierkrähen und Junggesellen unterscheiden?
Eine Unterscheidung zwischen Revierkrähen und Nichtbrütern ist praktisch nicht möglich, ein Familienverband mit 3 bis 4 Jungvögeln bildet bereits einen kleinen Trupp und kann als Nichtbrütertrupp interpretiert werden. 10 % der freigegebenen Rabenkrähen dürfen bereits in der Brutzeit (dazu gehört auch die Zeit der Betreuung der unselbständigen Jungvögel) erlegt werden. Die Verordnung sieht vor, dass von 1. März bis 31. Juli nur nichtbrütende, in Gruppen auftretende Rabenkrähen (sog. Junggesellentrupps) erlegt werden dürfen und der Abschuss nicht im unmittelbaren Umfeld der Nester erfolgen darf. Diese Regelung kann sehr leicht zum Abschuss von Revierkrähen führen. Da die Reviergröße eines Paares von 14 bis zu 50 ha schwanken kann, bietet das unmittelbare Umfeld des Horstes keinen ausreichenden Schutz. Ein ortsfestes Rabenkrähenpaar ist in seinem Brutrevier deutlich leichter zu erlegen als revierlose Nichtbrüter, die ortsungebundenen rasch ihre Nahrungsgebiete wechseln können.
Wie stellt sich die Rolle natürlicher Prädation im Falle des Nestraubes in Zusammenhang mit bedrohten Arten dar?
Der wichtigste Gefährdungsfaktor bedrohter Vogelarten ist der Verlust ihrer Lebensräume. Besonders bedroht sind bei uns Brutvögel von Feuchtgebieten/Gewässern und Wiesenbrüter im immer intensiver genutzten Grünland. Besonders an Gewässern und in Schutzgebieten haben auch Störungen durch den Menschen oft einen erheblichen Einfluss, ebenso invasive Neozoen, zu denen etwa auch die in hohen Dichten auftretenden Hauskatzen in Siedlungsnähe zählen.
Durch natürliche Prädation kann in der Regel kein bestandsbedrohender Einfluss eintreten. Die Populationsgrößen wild lebender Tierarten sind von vielen verschiedenen Faktoren abhängig, besonders auch von klimatischen Bedingungen und Witterungsverhältnissen. Natürliche Prädatoren sind ein Teil eines multifaktoriellen Wirkungsgefüges, einer von vielen verschiedenen Mortalitätsfaktoren.
Weshalb kommen Vögel wie Elstern zunehmend in den Siedlungsraum?
Die Elster ist ein Brutvogel der offenen Kulturlandschaft. Sie benötigt darin aber Hecken, Feldgehölze oder einzelne Bäume. Die Landschaft ist heute vielfach so ausgeräumt, dass der Lebensraum für die Elster nicht mehr geeignet ist. Außerdem wird sie in der Agrarlandschaft vielfach stark verfolgt. Im menschlichen Siedlungsraum herrscht dagegen einerseits Jagdruhe, andererseits sind Parks und gut durchgrünte Stadtviertel und Dörfer als Lebensraum heute vielfach besser geeignet als die ausgeräumte Feldflur. Daher sind heute die Land-Elstern oft schon sehr selten, in Siedlungen findet die Elster dagegen bessere Überlebensbedingungen.
Welche Alternativen zum Abschuss gibt es?
Alternativen zum Abschuss von Graureiher und Kormoran sind sehr wohl möglich. Für die Erhaltung der Fauna unserer Gewässer ist vor allen der ökologische Zustand der Gewässer entscheidend. Gewässerrückbau, Renaturierung von Fließgewässern, Entfernung von Barrieren und Verrohrungen, Wiederherstellung naturnaher, von Au-Gehölzen gesäumter und beschatteter Bach- und Flussufer können die Lebensräume für Fische und andere Wasserorganismen aufwerten, die Gewässertemperatur niedriger halten sowie Laichplätze und Fischunterstände schaffen. Wichtig ist auch ein Verzicht auf faunenfremden Besatz (z.B. Regenbogenforelle), der zu einer Konkurrenz mit heimischen Arten (Bachforelle) führen kann. Leider gehen die Verbauungen der Gewässer in Salzburg unvermindert weiter und damit auch weitere Lebensräume für die Fischfauna verloren. Verlust von Fließstrecken, Barrieren, Verschlämmung von Laichplätzen und Schwall-Ereignisse sind die Hauptrückgangsursachen für Fische.
Auch durch den Klimawandel kommt es in vielen Gewässern zu ökologischen Veränderungen. In Seen etwa verlängert sich die sommerliche Temperaturschichtung und verspätet sich die Durchmischung des Wassers. Zunehmende Erwärmung des Wassers und Abnahme des Sauerstoffgehaltes in der Tiefe führen zu einer Zunahme der wärmetoleranteren Weißfische (Rotauge, Rotfeder, Aitel), Barsche und Hechte, aber zur Abnahme der fischereilich interessanten Arten (Salmoniden und Coregonen), die kaltes und sauerstoffreiches Wasser brauchen. Diese Veränderungen sind nicht auf Kormorane und Graureiher zurückzuführen und mit ihrem Abschuss nicht lösbar.
Von intensiv bewirtschafteten Fischzuchtanlagen können Graureiher durch Abwehrmaßnahmen wie z. B. steile Ufergestaltung und ausreichende Gewässertiefe ferngehalten werden.
Stimmt es, dass Vergrämungsmaßnahmen ohne Abschüsse keine Wirkung zeigen?
Der Abschuss eines Graureihers hat keine Vergrämungs-Wirkung auf andere Graureiher und wirkt im Grunde wie ein Schreckschuss. Attraktive Nahrungsplätze wirken daher wie Fallen: Wird ein Graureiher geschossen, nimmt bald schon der nächste den freien Platz ein. Durch diese Fallenwirkung kann der Bestand bei laufender Bejagung stark verringert und gefährdet werden.
Rabenkrähen können durch verschiedene Maßnahmen in kritischen Phasen von Feldern vertrieben werden. Am besten ist es, vorbeugend die Felder nach dem Pflügen nicht sofort zu bestellen, da Rabenkrähen nach dem Pflügen hier nach leicht erreichbaren Insekten suchen. Bei der Ansaat ist es wichtig, den richtigen Zeitpunkt und die richtige Saattiefe zu wählen. Beim Keimen der Saat können kurzfristig Ballons über den Feldern oder das Legen von Rupfungsbildern
aus schwarzen Federn, die einer Rupfung durch den Habicht ähneln, helfen. Das Dulden von revierhaltenden Rabenkrähen hilft ebenso Schäden durch Nichtbrüter zu vermeiden.
Welchen Prozess erhoffen Sie sich vom Volksbegehen Für ein Bundes-Jagdgesetz und wie können wir dem Artenverlust entgegensteuern?
Von dem Volksbegehren erhoffe ich mir eine Diskussion über die Unsinnigkeit der Regelung der Jagd in Österreich in neun Landesgesetzen. In Salzburg kann z.B. eine Lachmöwe bereits ab 1. Juli geschossen werden (ohne zahlenmäßige Begrenzung), im angrenzenden Oberösterreich unterliegt die Art dem Naturschutzrecht. Die Lachmöwe macht weder einen Schaden noch wird sie als Wildbret genutzt – ein Abschuss ist damit ein völlig sinnloses Töten rein aus Vergnügen am Schießen. Viele Landesgesetze erlauben bis heute tierquälerische Jagdmethoden (z.B. Fallenjagd), die Bejagung seltener und gefährdeter Arten (in Salzburg z.B. Tafelente, Auerhuhn, Birkhuhn, Graureiher), teilweise sogar in der Brutzeit. Jagdlich interessante Arten werden begünstigt und oft ungeeignete Tiere für die Jagd ausgesetzt. Die Umwelt wird weiterhin in unverantwortlicher Weise durch Tonnen an Blei aus Munition vergiftet – eine Gefahr für Umwelt, Wildtiere (v.a. Bleivergiftung von Greifvögeln durch Blei in angeschossenen Tieren, Aas und Aufbruch), aber auch für den Menschen, der das Wildfleisch konsumiert. Um einem weiteren Artenverlust entgegenzusteuern sollen Tierarten, die in Österreich gefährdet oder von starken Rückgängen betroffen sind, nicht mehr bejagt werden. Die Verwendung von Bleimunition muss generell auch abseits von Gewässern und Feuchtgebieten verboten werden und wirksame Maßnahmen gegen Wildtierkriminalität umgesetzt werden, wie etwa die Reform der Jagdaufsicht.
Vielen Dank für das Interview!