Wie könnte ein zeitgemäßes, tierschutz- und ökologiekonformes Jagdrecht aussehen?

Dr. Barbara Fiala- Köck reflektiert in diesem Interview die Möglichkeiten für ein zeitgemäßes Jagdrecht in Österreich.

Die Jagd ist aus dem Tierschutzgesetz ausgenommen. Tierethisch problematische Praktiken wie das Aussetzen von Vögeln zum Zweck des Abschusses, die Fallen-, Bau- und Gatterjagd, der Abschuss von Haustieren und aktuelle Entwicklungen wie Jagdzeitverlängerungen, Vogelabschusspläne uvm sind mit einem zeitgemäßen Tierschutzverständnis nicht vereinbar. Mit Dr. Barbara Fiala- Köck, die im Vorstand der steirischen Landesjägerschaft tätig war und nach 14 erfolgreichen Jahren als Tierschutzombudsfrau 2023 ihr Amt niedergelegt hat, haben wir Probleme und Chancen für ein zeitgemäßes, tierschutz- und ökologiekonformes Jagdrecht diskutiert.

In welchen Bereichen hatten Sie als Tierschutzombudsfrau mit der Jagd zu tun?

In Bereichen der Jagdhundehaltung: wenn die Haltung den tierschutzrechtlichen Bestimmungen nicht entsprach, beim Einsatz von Telereizgeräten (Anmerkung: auch als Teletaktgerät bekannt, Geräte mit denen aus der Ferne Hunden ein Elektroschock gegeben werden kann) oder der Ausbildung der Hunde an lebenden Tieren. Es betraf auch die Haltung von Fasanen und Enten, die dazu bestimmt waren, ausgesetzt zu werden.

Wie stellt sich die Haltung und Ausbildung von Jagdhunden im Tierschutzgesetz dar?

Laut § 3 Abs. 4 des Tierschutzgesetzes gilt dieses nicht für die Ausübung der Jagd und der Fischerei. Wesentlich ist aber, dass die Haltung und Ausbildung von Tieren, die zur Unterstützung der Jagd oder der Fischerei eingesetzt werden und die Haltung von Tieren in Gehegen zu anderen als jagdlichen Zwecken, dem Tierschutzgesetz unterliegen und dessen Anforderungen inkl. der 2. THVO entsprechen müssen. Weiters gilt der § 222 StGB (Tierquälerei) auch für die Jagd.

Welche drei Missstände müssen in der Jagd reformiert werden? Wo sehen Sie die Hauptprobleme?

Das Töten von Hunden und Katzen, auch wenn sie Wildtiere erbeuten, ist nicht mehr zeitgemäß. Eine Aug um Aug, Zahn um Zahn-Mentalität lehne ich ab. Es ist hier nach dem Prinzip des gelindesten Mittels vorzugehen. Unbestritten leiden Wildtiere etwa nach Hundebissen qualvoll, dennoch sollte in diesen Fällen der betreffende Hundehalter oder die betreffende Hundehalterin informiert werden und ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet werden, aber der Hund oder die Katze nicht erschossen werden. In manchen Fällen werden zum Beispiel auch kranke Hunde vom Jäger statt vom Tierarzt getötet, was nicht zulässig ist.

Das Aussetzen von Wildtieren mit dem Ziel, höhere Strecken zu erzielen, entspricht nicht den Prinzipien einer nachhaltigen Jagd und geht mit Leid für die ausgesetzten Tiere einher, da sie oft nicht entsprechend an die neuen Bedingungen eines für sie fremden Lebensraumes angepasst sind.

Die Fallenjagd ist aufgrund ihrer Tierschutzrelevanz kritisch zu hinterfragen. Dies gilt auch für die Baujagd, die Gatterjagd und die Ausbildung von Jagdhunden und Greifvögeln an lebenden Tieren.

Welche jagdlichen, tierschutzrelevanten Fälle haben Sie besonders berührt? Welche Erfahrungen haben Ihre Haltung zur Jagd geprägt?

Das Töten von Hunden hat mich immer sehr betroffen gemacht. Auch die Haltung von Wildtieren zur späteren Auswilderung lehne ich ab. Grundsätzlich könnten Jagdmethoden, welche nicht mit einem zeitgemäßen Tierschutzverständnis vereinbar sind, auch in den Jagdgesetzen verboten werden. Die Jägerschaft hätte selbst die Möglichkeit, für eine tierschutzgerechtere Jagd Sorge zu tragen.

Vor allem Fasane und Stockenten werden noch immer zur Vergrößerung der Jagdstrecke ausgesetzt. Welche gesetzlichen Änderungen wurden in den vergangenen Jahrzehnten zum Schutz der Tiere erzielt?

Laut § 5 TSchG ist es verboten, einem Tier ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen oder es in schwere Angst zu versetzen. Gemäß Abs. 2 Z 14a verstößt dagegen auch, wer ein in Gefangenschaft gezüchtetes Wildtier aussetzt, das zum Zeitpunkt des Aussetzens in freier Natur nicht überlebensfähig ist. Es ist davon auszugehen, dass in herkömmlichen Volieren aufgezogene Vögel nicht für ein Leben in freier Natur geeignet sind. Die Haltung von Wildtieren muss auch der zuständigen Behörde gemeldet werden und wird in der Regel auch amtstierärztlich kontrolliert. Nach dem Aussetzen gilt das Jagdgesetz und nicht mehr das Tierschutzgesetz. In der Steiermark wurden daher die Auswilderungsbiotope rechtlich festgelegt. Auch hier stellt sich die Frage, wer kontrolliert?

Mit welchen Schwierigkeiten haben ausgesetzte Tiere wie Fasan und Ente zu kämpfen?

In menschlicher Obhut aufgezogene Wildtiere, die später ausgesetzt werden, haben Probleme mit der Futtersuche, dem Feindvermeidungsverhalten und dem Erkundungsverhalten. Sie sind auch nicht mit den Krankheitserregern in freier Natur vertraut. Dazu gibt es viele Studien.

Es gibt die Kritik, dass das jährliche Aussetzen der Vögel nur der Erhöhung der Jagdstrecke dient. Stimmt das Ihrer Ansicht nach? Wie groß sehen Sie den ökologischen Nutzen der sogenannten Fasanenbiotope?

Würde das Argument der Bestandesstützung zutreffen, dann dürften die Vögel im Jahr der Auswilderung nicht bejagt werden. Fasanenbiotope ermöglichen den Tieren quasi eine naturnahe Haltung, gleichzeitig werden aber im Umkreis intensiv Beutegreifer, wie Fuchs, Dachs und Marder vermehrt bejagt. Das heißt im Klartext, dass empfindungsfähige Tiere, die diese Beutegreifer ja sind, getötet werden, nur um später mehr Jagdwild (Fasane und Enten) zum Abschuss zur Verfügung zu haben. Das ist aus tierethischer Sicht abzulehnen.

Ab September werden Stockenten beschossen. Die Tiere werden meist mit großen Mengen Maiskörnern an die Abschussstellen angelockt. Wie bewerten Sie diese Vorgangsweise?

Für mich ist dieses Ankirren nicht mit den Prinzipien einer nachhaltigen Jagd vereinbar.

Gäbe es negative ökologische Auswirkungen, wenn man die Bejagung auf Stockenten und Fasane einstellen würde?

Grundsätzlich müssen Stockenten und Fasane nicht bejagt werden. Diese Populationen regulieren sich in der Regel selber.

Welche Meinung haben Sie zur intensivierten Beutegreifer- Verfolgung? Wie gefährlich ist die Fuchsräude und wie wichtig das Töten von einzelnen Füchsen, um diese Krankheit einzudämmen?

Auch hier fehlt der vernünftige Grund für diese Vorgehensweise. Kranke Tiere sind tierschutzgerecht zu erlösen. Fuchsräude ist immer auch ein Zeichen dafür, dass die Tragfähigkeit des Lebensraumes überschritten wurde.

Wie können die Akzeptanz für Wildtiere und deren natürlicher Lebensraum in unserer Kulturlandschaft ermöglicht und gefördert werden?

Durch Bewusstseinsbildung und Information über die Bedürfnisse von Wildtieren für alle Naturnutzer:innen! Ein Verlust der Biodiversität ist immer ein ernster Schaden. In erster Linie muss eine Lebensraumverbesserung erfolgen, damit sich Wildtiere wieder ansiedeln können und ein ökologisches Gleichgewicht möglich ist. Das Aufzeigen eines respektvollen Umgangs mit der Natur und die Einhaltung der Prinzipien, Kriterien und Indikatoren für eine nachhaltige und ehrliche Jagd halte ich für unumgänglich.

Welchen Prozess erhoffen Sie sich vom Volksbegehen für ein Bundes-Jagdgesetz?

Ich erhoffe mir umfassende, konstruktive Diskussionen und eine Anpassung der Standards an den Stand des Wissens.

Vielen Dank für das Interview.